Zeichen der Zeit

„Zeit wird´s!“ sagt der Volksmund, wenn etwas höchste Zeit wird. Die Sache mit dem Frühjahrsputz zum Beispiel, oder mit dem Keller ausmisten oder mit dem „mal den Flur streichen!“. Das hat etwas Drohendes, Unbequemes, Leidiges an sich, das mit dem „Zeit wird´s!“. Eine Steigerung wäre der Satz „Jetzt wird´s aber Zeit!“: dann ist Polen offen, sozusagen, dann ist für nichts mehr Zeit – ausser genau dafür, wofür es „jetzt aber Zeit wird!“. Wenn man diesem Ausbruch emotionalen Unmutes nicht sofort – aber SOFORT! – nachkommt, hört man in Bayern gerne den Ausspruch „Herrschaftszeiten!“ (manchmal verbunden mit einem unterstützenden „nochmal aber auch!“.) Tja: jetzt gibt´s zwei Möglichkeiten. Entweder man kommt der Bitte / Aufforderung nach und tut, was einem aufgetragen wird: demütig, unterwürfig, devot. Fühlt sich nicht gut an! Oder man kontert, man begehrt auf, man revoltiert mit dem Satz unserer Zeit (sic!) „Hob koa Zeid!“ (= habe keine Zeit!). Gesteigert wird der Satz mit der (oder den) Begründung(en), warum denn nun keine Zeit sei: meine Frau ist krank, mein Kind muß zum Arzt, mein Hund muß …   Ganz anders ist es da, wenn der Satz „Hosd Zeid?“ durch die Muschel raunt, wenn ein Freund anruft, ein alter, ein guter. Keiner, dem man mal wieder für „umme“ den PC neu aufsetzten oder beim Winterreifenwechsel zur Hand gehen soll – oder der vermeintlichen Freundin die DVBT Box neu installieren, weil die ihr beim Putzen runtergefallen ist… Nein, sie sind selten geworden, die alten Freunde, die ja ihrerseits ihr Dasein bestreiten müssen und eigentlich nie Zeit haben. Aber gerade dann, wenn diese Männer anrufen und fragen „Haste Zeit?“ dann wird´s Zeit: Zeit zum Innehalten, Zeit zum Kramen in den alten, steifen Hirnwindungen nach Stoff, für den nur wenige Menschen einen Sinn haben. Da beginnen längst tot geglaubte Ganglien zu glühen, im eigenen „Modern times Schädel“, im Megabrain, der niemals schläft – der, genau der wird dann wach, auf einmal! Wenn ihm (dem Megabrain) erlaubt wird, mal in den Archiven seines Selbst zu kramen, sich auf sich selbst einzulassen, ohne Hast, ohne Furcht und ohne Tadel! 

Auf die Gefahr etwas melancholisch zu werden: es hat etwas von Weihnachten! Dieses ehrfürchtige „Sti-hille Nachte“ – was ist das denn? Das ist Innehalten, sich einlassen auf den Moment. Das ist Besinnen auf das Wesentliche. Was bitte ist denn Weihnachten? Was heißt es denn? Eben! Die geweihte Nacht. Naja, die kann man ja auch mit einem guten, wirklich guten Freund verbringen, oder? Muß ja nicht gleich Mutter Maria sein, Josef tut es auch! Der 24ste Dezember ist auch nicht so ein zwingendes Datum für Besinnlichkeit und so ein alter Zimmermann hat ja immer Sinn für ein gutes Bier…  Hosd Zeid?