YELLA der Film

„YELLA – oder wie gefährlich ist es zu träumen in Zeiten des Risikokapitals“

In gewisser Weise darf man mich als befangen bezeichnen, denn der Kameramann Hans Fromm gehört seit über dreißig Jahren zu meinen besten Freunden. Allerdings ist diese Freundschaft auch gut genug, offen und ehrlich zu sagen, daß mir die letzten „Petzold-Filme“, die ich gesehen habe, drei Tage Depressionen beschert haben! So wollte ich eigentlich „Nie wieder Petzold!“ auf ein T-Shirt drucken lassen, hatte aber am Tag des Preview Termines in München gute Laune und ließ mich auf YELLA ein.

Nun, drei Tage danach leide ich nicht unter der „Petzold-Depression“, sondern mache mir statt dessen seit der Vorführung Gedanken über Feinheiten, Sinn, Aussage und Hintergründe. Einige meiner – zutiefst subjektiven – Gedanken erlaube ich mir hier zum Besten zu geben.

Die Story: eine Frau macht sich auf ihren Weg, nachdem sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Ihr Freund verfolgt sie „stalker-haft“ und reißt sie in den Tod. Vom Augenblick des tödlichen Unfalls bis hin zum eigentlichen Tod verbleiben Nina Hoss noch ca 70 Minuten Film und sie „träumt sich“ ihren Idealmann zusammen. In der heutigen Zeit, in der heutigen Welt, in Deutschland. Danach kann sie ruhig und ausgesöhnt am Elbufer sterben.

Soweit die Story.

Der Sub-Titel ist völlig irreführend (war der Titel Produkt des Verleihs? Auch Filmverleih ist ja Risikokapital! Und wieso bedingen sich (oder schließen sich aus) Risikokapital und Träumerei?).  Wie schnell, ja galant findet sich Nina Hoss in ihre neue (geträumte!) Rolle der Beisitzerin ein, wie schnell ist sie des richtigen (völlig hohl gedrehten!) Vokabulars mächtig und wie schnell verspielt sie die gerade mühsam errungenen Meriten der Weiblichkeit und der Sympathie am Verhandlungstisch. Doch der Bruch wird in der permanenten roten Bluse erzeugt, weist hin auf Yella´s Unzulänglichkeit, ihre Fehlbesetzung in der Welt des Risikokaitals, ihre Unsicherheit sich selbst und dem Leben gegenüber. So agiert sie scheinbar ferngesteuert – kein Wunder, denn eigentlich ist sie ja tot! Ihr neuer Liebhaber (genial gespielt von Devid Striesow!) ist dagegen deutlich fleischlicher, in der Lage, die Orange „richtig“ zu schälen, den rechten Ton zu treffen, wenn es um Verhandlungen geht – sich aber immer wieder zurück zu nehmen, wenn er allzu sehr in Verhaltensmuster des neunzehnten Jahrhunderts abzudriften droht!

Der Film wirft den Betrachter am Ende zurück auf sich selbst, sein eigenes Leben. Ist man selbst auch so unterkühlt und verlogen unterwegs? Ist das eigene Leben auch so belanglos, die Dialoge ebenso hohl? Film ist entweder Unterhaltung – oder eben Flimkunst (wobei es Beispiele gibt, bei denen beides möglich ist…). Yella ist sicher keine gute Unterhaltung – neue, deutsche Filmkunst? Na ja, auf der diesjährigen Berlinale räumte YELLA den Silbernen Bären ab – das klingt ein wenig danach!

Vor allem, weil sich mir die gängigen Fragen nach Plot Punkten, Helden-Entwicklung und Aussage nicht durch den Film selbst erschlossen haben. Ich war ca 90 Minuten Beobachter in einer Welt, der ich persönlich bewußt aus dem Wege gehe.  Ich möchte nicht mit diesen Menschen in Beziehung treten müssen, deren einziges Ziel es ist, in der einen oder anderen Weise shareholder values zu toppen – koste es was es wolle.  Die bloße Vorstellung, mit Männern (und auch Frauen!) dieses Schlages an einer Hotelbar zu stehen und jämmerliche „Mein Haus, mein Garten, mein Pferd-Gespräche“ führen zu müssen, jagt mir Schauer über den Rücken: aber leider ist das gezeigte Ambiente Teil unseres Leben in diesem Land, was ja mittlerweile ein globales Dorf geworden ist. Deutschland im Herbst 2007.

Nach der Vorführung gab es nicht nur Möglichkeit, Herrn Petzold beim Beantworten einiger Fragen zuzuhören – für mich auch noch die Chance, mit ihm beim Bier danach zu sitzen… So erfuhren wir u.a. von der Inspiration durch eine amerikanische Novelle, in der ein zum Tode verdammter, amerikanischer Farmer noch einmal – kurz bevor er stirbt – seine Familie und seine Farm sieht: aus der Perspektive eines Traumes, des Traumes, den wir alle vermeintlich sehen werden, kurz bevor wir sterben.

Die oben angeschnittenen – und wie gesagt sehr persönlichen – Fragen hätte ich an Petzold leicht selbst stellen können: ich bin nur nach einer Kino-Vorführung nicht sofort in der Lage, ein klares Statement abzugeben, zu sehr haben mich Dolby Surround Sound und Fußballfeldgroße Bilder innerlich aufgerüttelt…

Petzold, ein sympatischer und redegewandter Mann, wirft mit seinem Erscheinen relativ schnell die Frage auf: „Warum ein so netter Kerl so depressive Filme machen muß?“ Da gibt´s nur die amerikanische Antwort „a man has to do, what a man has to do!“

Offizieller Filmstart von „YELLA“ ist in München der 13. September.

In den Hauptrollen Nina Hoss und Devid Striesow. Regie und Buch: Christian Petzold, Kamera: Hans Fromm.