Klassik Welt Bodensee

Die Faszination Oldtimer beginnt eigentlich wirklich erst dann einzusetzen, wenn der eigene Wagen vor der Tür steht: mindestens 30 Jahre alt, in mindestens „passablem“ Zustand und – idealerweise – aus der Schmiede einer Firma, die heute keinen Handelsregistereintrag mehr vorzuweisen hat: also beispielsweise ALVIS, BORGWARD oder DÜSENBERG (um nur drei legendäre Hersteller zu nennen).

Doch schon mit einem alten Ford, VW oder Volvo (wie in unserem Falle) ist Herzklopfen mit im Handschuhfach und die Fortbewegung via Automobil gerät wieder in eine Art „Urzustand“: mit einem Oldie auf der Straße zu sein, bedeutet noch, Kameradschaft zu zeigen und zu praktizieren! Man grüßt sich auf der Fahrt, fast wie entfernt Verwandte – und das nicht eher lässig wie es Motorradfahrer tun, hier wird bei Sonnenschein durchaus aus dem Wagen herausgewunken und gelächelt. Wer diese Asphalt-Kameradschaft einmal erlebt hat, wird zugeben, dass der vermeintliche Fortschritt in Wirklichkeit ein menschlicher Rückschritt ist…

Nun waren wir also von München nach Friedrichshafen am Bodensee auf Landstraßen unterwegs, grüßten den einen oder anderen Oldtimer, der uns entgegenkam und waren sehr gespannt, was uns am nächsten Morgen auf dem Zeppelinfeld auf der Messe „Klassik Welt Bodensee“ erwarten würde.
Im Vorfeld war zu erwähnen, dass dieses Ereignis gar nicht so flächendeckend promotet wurde, wie es hätte erwartet werden können: wir erfuhren später, dass es das allererste Mal war, dass diese Oldtimer-Schau stattfand! Mit dem bemerkenswerten Zusatz: zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Eine geniale Idee, Veteranen aus allen Sparten der Fortbewegung an einen Fleck zu holen und so das Feld der Interessierten und Enthusiasten zu erweitern. So fanden wir in der ersten Halle zunächst die „Klassiker“ wieder, Händler der Edelkarossen aus dem Hause Benz, Porsche, Austin, BMW und, und, und… Dazwischen Anbieter illusterer Professionen wie Oldtimer Leasing, Thermo-Garagen, Luftfrachtcontainer eigens für den Oldtimerbedarf, aber auch Lederjacken aus dem Rennsport und der Fliegerei, spezielle Verlage einschlägiger Zeitschriften und Bücher. Eine kleine Halle bot Privatanbietern die Möglichkeit für ihr Stück einen neuen Besitzer zu finden, zwei weitere Hallen waren reserviert für die Besucher, die im eigenen Oldtimer angereist kamen, wodurch durchaus sehenswerte Kostbarkeiten zu bestaunen waren… Der Atriumbereich war ebenfalls für privaten Oldtimerbesitzer reserviert – diese mussten damit leben, dass direkt daneben diverse Stände für das leibliche Wohl sorgten…

Dramaturgisch gut inszeniert war die Tatsache, dass erst relativ spät dann alte Flieger die Aufmerksamkeit bekamen, die sie mehr als verdienten: „die tollkühnen Männer und ihre fliegenden Kisten“ waren nicht nur in der Halle zu bestaunen, nachmittags wurden die Hangartore aufgeschoben und der ein oder andere Veteran der Lüfte wurde sachkundig aus dem Hangar bewegt und der Sternmotor in Betrieb genommen. Sirrende Frühlingsluft begann zu vibrieren vom tiefen, sonoren Bass der Flugmotoren und die interessierten Gäste der Messe richteten gebannt die Augen gen Himmel, um nur ja nichts davon zu verpassen, was nun geschehen würde. Nebenbei bemerkt sei der Umstand, dass ein riesiger Zeppelin pausenlos startete und landete, um zahlenden Besuchern die Freude eines Rundfluges zu machen. Dann rumorte es in der Luft und eine alte Maschine aus Weltkriegstagen (ehedem war der Einsatz auf einem Flugzeugträger gewesen!) führte gewagte Luftzweikampf-Manöver vom allerfeinsten vor. Etwas später hob ein Doppeldecker ab, malte wunderbare Loopings in den Frühlingshimmel, bis der Besucher überhaupt erst mitbekam, dass es sich hierbei um eine Akrobatennummer der Extraklasse handelte: oben auf dem Doppeldecker stand eine Frau und blieb selbst bei Loopings und Schräglage der Maschine oben stehen und wurde von Jubel und Beifall begrüßt, als sie wieder auf sicherem Boden Richtung Hangar rollte. Eine Gruppe diverser Flieger hob zum Formationsflug ab und zog die Bahnen am Himmel, irgendwann stieg eine viermotorige Linienmaschine auf und kreiste im Tiefflug über die Messe.

Wir schlenderten langsam zurück zum Eingang, ließen vieles noch einmal Revue passieren, die Sonderschau „Belle Epoque“, die eigene Halle für Motorräder, Werkzeuge, Booten und Wohnwägen aus der Zeit des automobilen Wirtschaftswunders und waren dann eigentlich übervoll mit neuen Impressionen.
Doch uns war keine Pause vergönnt, denn ab 18 Uhr sollte der „Concours d´Elegance“ in der Innenstadt von Friedrichshafen stattfinden. Für einen Drink setzten wir uns in ein Café am Hafen, fanden heraus, dass die Sonderschau „Historische Boote“ leider nicht stattfindet (wegen zu niedrigem Wasserstand) und konnten uns entspannt auf den Abend einstimmen.

Was uns an den Absperrgittern des virtuellen „inneren Rings“ von Friedrichshafen erwartete, war mit Abstand das charmanteste und ungewöhnlichste, was wir so zu Gesicht bekamen: hier fuhren in loser, unkoordinierter Abfolge „Prewar Cars“ und Oldtimer in wildem Stelldichein um die Wette, die Rennleitung hatte ganz offensichtlich die größten Probleme in diesen Konvoi historischer Fahrzeuge irgendeine Ordnung zu bringen, vermutlich machte die Polizei hier und da einen Strich durch die Rechnung und es musste kurzfristig umdisponiert werden… Es war ein herzliches Durcheinander mit selten vielen lachenden Gesichtern! Die größten Sympathien dürften die alten Rennwägen geerntet haben, die in ohrenbetäubendem Lärm die Straßenfluchten entlangdonnerten kamen und vor keiner roten Ampel Halt machten! Ein originaler Einsitzer aus den 20er und 30er Jahren jagte den anderen, die Baujahre wurden irgendwann auch jünger und alte Formel-1-Bolliden röhrten um die Wette. Ein Probelauf – fürs erste. Eine Stunde später machten sich dann noch einmal alle auf, vor den Tausenden von Besuchern ihre schönen Formen zu präsentieren, bis zum Abschluss dann die Bolliden noch einmal alles gaben: drei Runden nonstop – über Friedrichshafen zog die viermotorige Linienmaschine im Tiefflug ihre Bahn: Rosinenbomber-Feeling live!
Auch wenn so dies und das noch hätte besser gemacht werden können, muss man sagen, dass vielleicht gerade das „Nicht-ganz-perfekte“ dieser ersten Messe seiner Art der Veranstaltung den gebührenden Charme verlieh! Die Klassik Welt am Bodensee hat mit Sicherheit das Zeug, zur festen Institution der Szene aufzusteigen, mitzuspielen im großen Reigen der Mille Miglia, der Tulpenrallye, des Geisbergrennens oder des Pebble Beach Concours d´Elegance in den USA. Bei aller Begeisterung, die nahezu ungetrübt ist, jedoch noch eins: die schwäbischen Ansagen für das Publikum sowohl bei der Flugshow wie auch in der Innenstadt sind der Dorn im Ohr eines jeden auswärtigen Besucher: wieder einmal mehr bewahrheitet sich der Spruch „De Schwoobe kenne faschd alles – ausser Hochdeutsch!“