Der Baumarkt

Ist schon klar, echte Männer gehen in den Baumarkt, suchen sich ihre Materialien, Schrauben und Werkzeuge fachkundig selbst, gehen damit an die Kasse und ab nach Hause …

zum Bauen. Wenn man aber jetzt mal wirklich vor der peinlichen Situation steht, Rat von einem Experten zu brauchen – was normalerweise nicht vorkommt, da wir ja auch nie und unter keinen Umständen nach dem Weg fragen -, dann suchen wir einen der vielen fachkundigen Berater des Baumarktes (das sind die mit den orangfarbigen T-Shirts oder Sweatshirts und den drei Buchstaben drauf) – und jetzt passiert folgendes:

Schon als ich mich im Eingangsbereich befinde, bemerke ich, dass alle Mitarbeiter in orange rechts und links in den Gängen verschwinden. Diejenigen, die nicht wegkönnen weil sie an der Kasse oder an dem Rückgabeschalter stehen bleiben müssen, schauen bereits angstvoll in den Eingangsbereich; erwidere ich ihren Blick, schauen sie schnell angstvoll woanders hin und überlegen schon ihr Sprüchlein sollte tatsächlich gerade ich auf die Idee kommen eine Frage zu stellen, die nicht gerade heißt: „Was kostet denn der Wasserhahnstöpsel hier rechts im Regal?“.
Ich komme nicht auf die Idee, da ich mich immer gerne mal selbst durch die Regale „wurschtel“, um auch ganz sicher zu gehen, das ich tatsächlich einen Mitarbeiter brauche der mir sagt, was ich brauche und wo ich das finde.
Nach ca. einer halben Stunde ist auch so weit, statt Produkte die ich eh nicht kenne, da ich nicht weiß was ich brauche, suche ich jetzt einen Baumarkt-Eingeborenen. Ich reiße den Kopf herum und sehe gerade noch welche weglaufen. Gut, denke ich, da muss man systematisch vorgehen. Ich gehe den Hauptgang runter und schaue in jede Seitengasse, von Abfalltonnen bis Zaunlatten. Da – ganz am Ende der Schraubengasse sehe ich einen orangenen Rücken hinter dem Regal vorspitzen. Langsam und  ohne Aufsehen zu erregen versuche ich der Person näher zu kommen. Geschafft, ein Blick um die Ecke stürzt mich sofort in eine Mitleidsstimmung für den armen Mitarbeiter und natürlich auch für mich selbst. Der entnervte Gesichtsausdruck sagt mir, das ein Kunde ihn bereits seit einer halben Stunde in Beschlag nimmt – wegen einer Schraube, die es genau in der Größe und Form, wie sich das der Käufer vorstellt, gar nicht gibt. Und die Schlange von weiteren 13 Kunden, die jeweils eine Schraube in der Hand halten, sagt mir, dass ich wohl vor Ladenschluss an diesen Mitarbeiter auch nicht die geringste Frage stellen kann.

Meine Stimmung sinkt in den Keller, trottet da etwas umher und grummelt vor sich hin, bis ich einen weiteren mutmaßlichen Berater entdecke – und das gleich hinter dem nächsten Regal. Er tauchte so plötzlich auf, dass wir beide dermaßen überrascht waren, ich meine Frage vergessen hatte und auch er keinen Spruch mehr auf Lager hatte. Zumindest keinen, den er gegen mich verwenden konnte. Als ich in meinen Hirn kramte um diese blöde Frage zu suchen, schoss er bereits gegen mich: „Tut mir leid, ich habe jetzt Pause und wir müssen unsere Pausen regelmäßig nehmen sonst bekommen wir Ärger!“ und entfernte sich auch sofort in irgendeinen Hinterraum mit einer Tür, der durch die Worte „Nur für Personal“ geschützt war.
Mir reicht’s, wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe, holt das keiner so einfach da wieder raus. Ich stelle mich zu den Farben und suche ein kleines Glas das gerade groß genug ist, um aus dieser Höhe auch auf dem Fußboden zu zerbrechen. Ich habe mir das richtige ausgesucht, nach etwas hin- und herrutschen in einen Bereich, in dem das Regal zu Ende war, zerbricht es dann auch auf dem Boden.
Sofort ist ein Mitarbeiter bei mir und fängt an, mich darüber aufzuklären wie die nächsten Schritte aussehen würden, um den Schaden für alle Beteiligten auf ein gesundes Maß schrumpfen zu lassen. Ich grinse nur und kann den Ausschweifungen nicht folgen, da ich mir meine Frage zurechtlege bzw. erst mal wieder in meinem Hirn stöbere, was ich denn eigentlich brauche.
Nachdem ich meine Frage endlich stellen kann und meine Situation erkläre, die irgendwie mit Fliesen, Farbe und Fugen zu tun hat, ahnte er schon was und meint dann nur lapidar: „Ähh tja, ich bin nur für Schrauben zuständig, für Farben muss ich Ihnen meinen Kollegen vorbeischicken.“
Bis dieser Mitarbeiter zuzüglich der Pausen und Kundengespräche, die ihn auf den Weg hierher aufhalten würden, meine Wohnung bereits an jemanden anderen vermietet ist oder Küchen gar keine Fliesen mehr brauchen oder die Telekom alle Störungen bearbeitet hat, gehe ich also farblos von dannen.
Nachdem ich einige Kilometer weg bin und wieder einen klaren Gedanken fassen kann, ist der erste, der mir durch den Kopf schießt: „Toll, wie man einen ganzen Samstag Vormittag verbringen kann ohne Langeweile zu haben und ohne etwas dafür zu zahlen. Und das Beste – zu Hause wartet auch keine Arbeit mehr auf mich da ich nichts habe was ich verarbeiten könnte. Na dann mal ein schönes Restwochenende.“